Virtual Reality im Marketing

Virtual Reality im Marketing

Ob in der Gaming-Industrie, beim Autokauf oder in der Modebranche – in vielen Bereichen beschäftigen sich Unternehmen aktuell mit der Virtuellen Realität. Primär sind es aktuell noch Firmen aus dem Bereich Business-to-Customer, die die Möglichkeiten der Technologie erkannt haben und Einsatzmöglichkeiten entwickeln. Im Zeitalter von Industrie 4.0 und Digitalisierung erleben wir gerade, wie sich die Technologie in den verschiedensten Bereichen durchsetzt und viele Lebens- und Arbeitsbereiche verändert. Der US-Unternehmer und VR-Pionier Chris Milk spricht davon, dass „das Internet den Zugang zu Informationen demokratisiert hat – und VR durch die Demokratisierung von Erlebnissen ebenso einflussreich auf unser Leben sein wird“. Diese Aussichten von Virtual Reality bringen für Menschen, Unternehmen und Marken viele Chancen und gleichzeitig auch Herausforderungen mit sich.

Laut einer Studie wollen deutsche Unternehmen 840 Millionen Euro bis zum Jahre 2020 in Virtual und Mixed Reality investieren. Zu diesem Ergebnis kommt das Beratungsunternehmen Deloitte gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut und Bitkom. Das verblüffende an der Studie ist, dass der größte Teil der Investitionssumme von Unternehmen aus dem B2B-Sektor stammt. Auf der anderen Seite sind wichtige Fragen nach wie vor unbeantwortet: Mit welchem Marktpotenzial ist laut Experten für den B2B-Bereich zu rechnen? In welchen Einsatzfeldern entstehen sinnvolle Anwendungsfälle? Welche Lösungstypen von Virtual Reality kommen dabei zum Einsatz? Und welche Lösungen sind unmittelbar umsetzbar bzw. was bleibt reine Zukunftsvision? Mit diesen Fragestellungen wird sich in der vorliegenden Arbeit intensiver auseinandergesetzt.

Visualisierung und Simulation

Virtuelle Simulationen haben bereits Mitte der 1990er Jahre Einzug in die Produktentwicklung erhalten. Primär nahm hier die Automobilindustrie eine Vorreiterrolle ein. Erste Anwendungen waren hier Visualisierungen von Interieur und Exterieur von Fahrzeugen in den jeweiligen Designabteilungen, in welchen die Form und Anmutung des Fahrzeugs entstehen. Die Visualisierung dieser Fahrzeugbestandteile erfolgte in der Regel auf Powerwall-Systemen, mit deren Hilfe eine hochauflösende 1:1-Darstellung des Fahrzeuges realisiert werden konnte. Auch kamen bereits erste VR-Brillen zum Einsatz, in denen sich besonders das Fahrzeuginnere gut visualisieren lies. Die Erstellung dieser virtuellen Materialien wird in vielen Marketing-Bereichen innerhalb des Entwicklungsprozesses eines Fahrzeuges benötigt. Die Einsatzmöglichkeiten von Visualisierungen betreffen u.a. Marketingbereiche, wie die Designentscheidung durch Beurteilung virtueller Prototypen, die Erstellung von Fahrzeugkonfiguratoren, die über die Homepage aufgerufen werden können, bis hin zur Erstellung von Printmedien bzw. diversen Marketing-Kampagnen.

Die Deutsche Bahn bspw. bietet Interessenten einen ICE-Simulator an, mit welchem durch ein virtuelles Deutschland gefahren werden kann. Auch gibt es Beispiele aus dem Bereich Kunst und Kultur, wo das Marketing mithilfe von Virtual Reality komplette Städte oder Museen simuliert. Touristen können so ganz realitätsnah historische Städte wie bspw. das alte Rom in der Virtuellen Realität erfahren. Auch gibt es entsprechende Einsatzmöglichkeiten auf Messen und Veranstaltungen, auf welchen Marketingverantwortliche das Produktportfolio eines Unternehmens mittels VR darstellen können. Durch die Nutzung dieser Technologie können Unternehmen komplexe Lösungen detailgetreu und realitätsnah vorstellen und somit die Vertriebspräsentationen für solche Produkte deutlich verbessern.

In einer optimalen Virtuellen Realität werden alle Sinneseindrücke des Anwenders durch den Computer erzeugt. Die computersimulierten Eindrücke werden dabei in der gleichen Qualität und Quantität ausgegeben, wie es der Mensch aus der realen Welt gewohnt wäre. Die heute verfügbaren VR-Systeme unterliegen noch nicht dem Status perfekt zu sein, dennoch zielt die Entwicklung der VR-Technologie in erster Linie auf die Erschaffung immer realistisch erfahrbarer Simulationen. Diese Simulationen können so realitätsnah sein, dass sie zu Trainings- und Ausbildungszwecke verwendet werden. Die Deutsche Flugsicherung betreibt bspw. einen virtuellen Flughafen, in welchem Fluglotsen trainieren können. Auch ist es möglich innerhalb der VR-Welt die Bedienung einer komplexen Anlage vorzustellen. Z. B. könnte die Bedienung des Leitstands eines Kohlekraftwerks mit Hilfe von VR simuliert werden. Virtual Reality erlaubt somit Schulungs- und Trainingssimulationen bereits vor der Fertigstellung oder Inbetriebnahme des realen Objektes.

Eine Visualisierung eines Produktes oder eines Prozesses kann zum einen über CAD-Werkzeuge, zum anderen auch über fotorealistische 3D-Softwaresysteme realisiert werden. Nutzer dieser Visualisierungen sind insbesondere Entscheidungsträger in der Produktentwicklung sowie Marketingverantwortliche, die so bereits durch eine Visualisierung Informationen über das zukünftige Produkt erhalten, um entsprechend frühzeitig auf dessen Entwicklung und Vermarktung Einfluss zu nehmen.

Einsatzversuche hat im Bereich der VR-Visualisierung auch der Getränkekonzern Coca Cola bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien unternommen. Interessenten wurde ermöglicht, sich auch ohne Ticket virtuell im Fußballstadion zu bewegen. Die Werbebotschaft sollte vermitteln, dass Coca-Cola dieses Erlebnis als Marke für dieZuschauer realisiert und damit als ein Vorreiter in VR im B2C-Bereich gelten kann. Ein anderer VR-Einsatz wurde vom Bourbon Hersteller Jim Beam umgesetzt. Dieser versetzt den Betrachter in eine Achterbahnfahrt durch eine virtuelle Produktionshalle. Die Fahrt führt den Benutzer durch Schläuche, Gläser sowie Rohre und soll den Entstehungsprozess von Bourbon unterhaltsam visualisieren. Diese Beispiele zeigen auf, welche Möglichkeiten sich mit der Visualisierung und Simulation mittels VR-Technik ergeben. Aufgabe des Marketings ist es hieraus ein Erlebnis bzw. eine Erfahrung für den Konsumenten zu kreieren. „Im Zentrum der VR steht eine Erfahrung – die Erfahrung in einer Virtuellen Welt oder an einem fremden Ort zu sein“.

Social Media

Auch im Bereich von Social Media gewinnt Virtual Reality zunehmend an Bedeutung. Startet man zunächst aus dem Blickwinkel der Realtime-Advertising-Kanäle, so hat dabei insbesondere die Werbung im Umfeld von Social-Media einen hohen Stellenwert. Dem US-Unternehmen Facebook ist es dabei gelungen ein herausragendes Realtime-Advertising-Umfeld zu schaffen. Der Erfolg basiert auf einer hohen Reichweite der Social-Media-Plattform sowie einer stabilen und ansteigenden Nutzungsintensität. Als reichweitengrößter Social-Media-Kanal kommt Facebook damit eine ähnliche Rolle für soziale Netzwerke zu wie Google im Bereich Suchanfragen. Der hohe Nutzungsanteil von mobilen Endgeräten bei der Nutzung von Facebook sowie eine effiziente Einbindung von Werbeformen, geben dem Unternehmen eine starke Position auch im mobilen Bereich. Für lang anhaltende Dynamik sorgt der Einstieg in neue Formate wie das Video-Advertising, bei welchem zielgerichtete Werbespots den User auf Facebook erreichen. Zunehmend werden Werbespots auch in einem 360-GradFormat angeboten, um den User mittels VR-Brille ein noch immersiveres Werbeerlebnis bieten zu können.

Durch die zunehmende Verlagerung der Internet-Nutzung auf mobile Endgeräte kommt dem Bereich Virtual Reality gerade in sozialen Netzwerken eine wichtige Rolle zu. Dies ist insbesondere deshalb von hoher Bedeutung, da die mobile Nutzung die klassischen Desktop-Anwendungen in Teilen verdrängt und damit die Medien- und Plattform Anbieter dazu zwingt innovative Lösungen zu finden. Gerade die Bewegtbildinhalte werden von jungen Zielgruppen weniger über die klassischen Formate wie das Fernsehen konsumiert. Neue inhaltliche Sendeformate über YouTube oder Facebook sorgen mittlerweile auch für Handlungsdruck bei den Unternehmen. Facebook zufolge gibt es bereits heute mehr als eine Million 360-Grad-Videos und mehr als 25 Millionen 360-Grad-Fotos auf der Social-Media-Plattform. Angesichts der 300 Millionen hochgeladenen Fotos pro Tag ist die Zahl noch gering, jedoch steigt die Zahl an VR-Inhalten täglich. Auch hat Facebook kürzlich seine Beta-Version der virtuellen Welt „Space“ vorgestellt. Hier können sich User von Facebook zukünftig in Space virtuell treffen und miteinander agieren. Die Begegnungen finden mithilfe von 360-Grad-Fotos statt, die Facebook bereitstellt bzw. auch selbst hochgeladen werden können. Mit digitalen Werbeflächen können so Unternehmen zukünftig in z. B. virtuellen Bahnhöfen, Flughäfen und Einkaufszentren werben.

Produkt- und Innovationsmarketing

Die virtuelle Entwicklung wird heute als wesentlicher Bestandteil im Entwicklungsprozess von Innovationen und neuer Produkte gesehen. Die Virtuelle Realität ist ein Teilbereich dieser virtuellen Entwicklung. Sie bietet die Möglichkeit, Produktentwicklungen zu visualisieren und mit ihnen schnell zu interagieren, um so Fehler frühzeitig aufzudecken. Auch können mit VR Ergonomie- und Verbauuntersuchungen oder auch die Designauswahl unterstützt werden. Der ganzheitliche Blick auf das Produkt mittels VR sorgt dafür, kostenintensive Optimierungen, die im Laufe der Entwicklung enstehen können, zu reduzieren. Diesen Einsatz des sogenannten „Virtual Prototypings“ beschreiben Zorriassatine als „Präsentation, Test und Analyse von dreidimensionalen CAD Modellen vor der Erzeugung physischer Prototypen“. Virtual Prototyping wird häufig im Zusammenhang mit Virtual Reality genannt.

Virtual Reality kann als eine spezielle Methode der virtuellen Entwicklung von Produkten bezeichnet werden. Weitergehend handelt es sich bei den Methoden der Virtuellen Realität um Visualisierungswerkzeuge, mit denen Entwicklungsstände oder Simulationen von Produkteigenschaften visualisiert und evaluiert werden können. Burdea und Coiffet sprechen hierbei von drei wesentlichen Aufgabenbereichen im Prozess der virtuellen Produktentwicklung, die Design-Review Prozesse, Ergonomieuntersuchungen sowie Montage- und Verbauuntersuchungen.

B2B-Marketing

Virtual Reality kann einen wichtigen Beitrag zu einer spannenden Customer Experience leisten. Hiermit wird im Bereich Marketing das Erlebnis bezeichnet, welches der Kunde mit einer Marke erfährt.

Um die Einsatzmöglichkeiten von Virtual Reality im B2B-Markting zu prüfen, sind im Vorfeld einige Fragen zu klären. Zunächst stellt sich die Frage, welche bewährten Anwendungen sich aus den Unternehmen überhaupt aus der realen Welt in die virtuelle Welt übertragen lassen? Desweiteren soll genau geprüft werden, welche neuen Einsatzbereiche durch VR erschlossen werden können, die durch die etablierten Marketingkanäle nicht oder nicht optimal abgedeckt werden. Außerdem soll bewertet werden, in welchem Umfang sich werbliche Botschaften im VR-Umfeld kommunizieren lassen, ohne auf Widerstand aufseiten des Anwenders zu stoßen. Schlussendlich gilt noch die Frage zu klären, inwieweit sich werbliche Botschaften im virtuellen Bereich auf das tatsächliche Kaufverhalten des Kunden auswirken.

Im Marketingbereich wurden bereits einige Einsatzmöglichkeiten von VR in diesem Kapitel erwähnt. Nachfolgend werden Einsatzgebiete spezifisch für das B2B-Marketing aufgeführt. Diese Anwendungsfälle bzw. im englischen „Use Cases“ beschreiben die Interaktionsmöglichkeiten von Nutzern mit einem VR-System. Diese können im Bereich des Marketings bspw. eine VR-Visualisierung eines komplexen technischen Systems sein, die während einer Messe-Präsentation zum Einsatz kommt.

Use Case 1: Produktflyer
Mithilfe von Virtual Reality lassen sich hochkomplexe Objekte wie Lokomotiven in 360-Grad-Ansicht präsentieren. Ein passendes Beispiel bietet der Mischkonzern General Electric. Das Unternehmen zeigt mit Hilfe einer VR-Anwendung eine Lokomotive auf einer Teststrecke aus verschiedenen Blickrichtungen. Diese kann der Betrachter selbständig steuern und auswählen. Eingebettet wurde die Anwendung in ein Video, welches nicht nur relevante Informationen zur Lokomotive aufzeigt, sondern gleichzeitg noch ein immersives Seh-Erlebnis bietet.

Use Case 2: Gebäudevisualisierung

Transparenz bzgl. der eigenen Geschäftsprozesse spielt in vielen Branchen, wie z.B. im Energie-Sektor, eine große Rolle. Das südkoreanische Unternehmen Doosan macht mithilfe einer VR-Lösung seine Kraftwerke virtuell zugänglich. Konzipiert wurde die Anwendung für eine Veranstaltung, bei der viele Informationen über das Kraftwerk detailliert und anschaulich mittels VR-Brille dargestellt werden konnten. Dieses Projekt ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie die Virtuelle Realität zur positiven Imagebildung eines Konzernz beisteuern kann.

Use Case 3: Messeauftritt
Ein weiteres Beispiel aus dem B2B-Bereich bietet ein Unternehmen, welches auf die Produktion und den Vertrieb von High-End-Maschinen für die Werkzeugverarbeitung spezialisiert ist. Die Produkte des Unternehmens bewegen sich im Regelfall in einer besonderen Größenordnung und können daher nicht ohne hohen Kostenaufwand auf einer Messe ausgestellt werden. Um den Aufwand im Rahmen zu halten, aber dennoch den Messebesuchern einen umfassenden Eindruck der Maschinen geben zu können, setzt das Unternehmen auf Virtual Reality. Mithilfe einer VR-Anwendung können Interessenten am Messestand, durch bereitgestellte VR-Brillen, in eine virtuelle Welt eintauchen, um sich dort die Maschinen visualisiert anzusehen. Die Beratung hinsichtlich der Produkte erfolgt dann weiterhin „offline“ und wird analog durch die jeweilgen Vertriebsmitarbeiter am Messestand durchgeführt.

Use Case 4: Informationsnetzwerk
Klassisch ist die Planungs- und Entwicklungsphase von Architekten, Ingenieuren und Maschinenbauern geprägt von Zeichnungen, Skizzen und Modellen. Diese sind in der Regel eindimensioniert dargestellt und sollen in erster Linie die Idee hinter dem Projekt vermitteln. Deutlich anschaulicher aufbereitet sind hier detaillierte 3D-Visualisierungen. Inbesondere komplexere Pozesse oder Projekte lassen sich so besser darstellen und aus unterschiedlichen Perspektiven beurteilen. Auch im Bereich der Bauprozesssteuerung kann die Virtuelle Realität helfen. Das Unternehmen Züblin, nach eigenen Angaben einer der deutschen Marktführer im Hoch- und Ingenieurbau, treibt mit der VR-Lösung „BIM.5D“, die Entwicklung eines neuen Standards für die Zukunft des Bauens maßgeblich mit voran. „In der Umsetzung schafft BIM.5D ein detailliertes, transparentes und dynamisches Informationsnetzwerk für alle Baubeteiligten und ist somit nicht weniger als eine umfassende Methode zur Planung, Realisierung und zum Betrieb von Bauvorhaben“. Mit BIM.5D lassen sich Bauprozesse mittels VR deutlich effizienter gestalten, da Verbesserungspotenziale frühzeitig genutzt und Fehlplanungen vermieden werden können.

Durch den Einsatz der Virtuellen Realität im B2B-Marketing kommt es idealerweise zu einer Immersion. Dies bezeichnet den Prozess des Eintauchens in eine virtuelle Umgebung, bei welcher die Wahrnehmung der eigenen Person aus dem realen Umfeld, zugunsten der Person aus der virtuellen Welt zunehmend vermindert wird. Diese Erfahrung wird durch die Möglichkeit, mit der virtuellen Umgebung bspw. durch Bewegungen zu interagieren, noch verstärkt. Wie die in diesem Kapitel aufgeführten Use Cases zeigen, kann Virtual Reality zu einer Erweiterung des digitalen Kundenerlebnisses führen. Idealerweise knüpft eine VR Kampagne im Marketing an eine weitere Maßnahme in der realen Welt an. Dies kann eine Einladung zu einem Vor-Ort-Termin oder einem Workshop sein. Auch wäre die Verknüpfung mit dem Kundensupport eine denkbare Möglichkeit. Sowohl Maßnahmen aus der virtuellen Welt, als auch Maßnahmen in der realen Umgebung müssen überzeugen, um den Kunden ein konsistentes Erlebnis zu liefern. VR bietet die Möglichkeit insbesondere für die B2B-Branche ihre Produkte und ihre Marken erlebnisreicher zu gestalten und zu transportieren.

 

 

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