Virtual Reality – was ist das?
Der Film “TRON“ aus dem Jahr 1982 stellte einen Meilenstein in der Science Fiction Geschichte dar. Nie zuvor war die Verschmelzung von Mensch und digitaler Welt anschaulicher präsentiert worden. In einer Zeit, in der man nur grobpixelige Aliens an Spielautomaten abschießen konnte, zeigte der Film eine technische Möglichkeit, die seit einigen Jahren Wirklichkeit zu werden scheint. Eine virtuelle, vollkommen künstlich erzeugte Welt, in der sich der Spieler bzw. User frei und in Echtzeit bewegen kann.
Inhalt
Begriffserklärung – Eintauchen in die Fantasie
Diese Kinofantasie führt zu einem der wichtigsten Begriffe im Bereich der computerbasierten Darstellung und Erfahrungswelt: die “Virtuelle Realität“, “Virtual Reality“ oder kurz “VR“.
Dies bezeichnet eine künstlich hergestellte, dreidimensional erlebbare Welt, deren Vorbild die reale Umgebung sein kann oder eigene Kreationen, deren Grenze nur die Fantasie darstellt.
Darstellung und Wahrnehmung geschehen dabei in Echtzeit, ausschlaggebend ist die Möglichkeit zur Interaktion in einer computergenerierten Welt.
Dieses “Eintauchen“ in die virtuelle Welt, also das Erleben dieser Umgebung als reale, funktionierende Wirklichkeit, wird als “Immersion“ bezeichnet. Hier verbinden sich individuell abgestimmte visuelle, akustische und haptische Erfahrungen, um eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen. Es gibt dabei verschiedene Ansätze und technische Umsetzungen.
Die im Moment bekannteste Anwendung ist das 360 Grad (360°) Video, bei dem der User rein passiv agiert und nur betrachten kann. Museen und Hotels nutzen diese Form, um sich digital zu präsentieren.
In einer Mischung aus “echter“ Welt und Computeranimation, ist die Augmented Reality (AR) erlebbar, bekannt aus dem Pokémon GO Spielen für das Smartphone. Hier ist der Betrachtende auch Akteur und kann den virtuellen Teil seiner Welt beeinflussen. Echte virtuelle Realität (VR) entkoppelt den User aber vollständig von seiner sichtbaren Umwelt und führt ihn in eine eigene, animierte Umgebung, in der er sich bewegen und handeln kann.
Alte Idee – neue Technik
Als technische Voraussetzung für VR ist ein Headset mit einer 3D Datenbrille (Head-Mounted-Display, HMD) notwendig, welche die virtuelle Welt sichtbar erzeugt und die Position des Betrachters in dieser Welt erfasst. Dazu gehören Kopfhörer, bei denen das herkömmliche Dolby Stereo System von einem Raumklang-Erlebnis abgelöst wird, da sich die akustische Erfahrung bei Bewegung im Raum mit verändert. Außerdem sind Eingabegeräte notwendig, um in der virtuellen Welt handeln und sich bewegen zu können. Je nach Ausführung, sind diese Systeme stationär benutzbar oder ermöglichen, via „Roomscale“-Effekt, die eigene Bewegung im Echtraum. Der Radius kann dabei von wenigen Quadratmetern bis zu mehreren Quadratkilometern, wie bei der Oculus Quest, reichen.
Obwohl mit dem Thema Dreidimensionalität (Stereoskopie) schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts und Virtuelle Realität schon seit den 1960er Jahren gearbeitet wird, ermöglicht die technische Entwicklung erst seit einigen Jahren einen sinnvollen und breiteren Einsatz. Mehr zur Entwicklung der VR findet sich weiter unten.
Zurzeit sind zwei verschiedene technische Lösungen auf dem Markt, sowohl frei bewegliche, mobile Varianten, als auch rechnergestützte Geräte.
Die Höhle der Erkenntnis – CAVE
Eine besondere Form des VR Erlebens ist die Cave Automatic Virtual Environment, kurz: CAVE. Der virtuelle Raum ist dabei gleichzeitig der reale Raum. Der Betrachter/Akteur findet sich dabei umgeben von Videoleinwänden, je nach Anwendung sind es vier bis sechs, wie im Inneren eines großen Würfels. Darauf werden die Darstellungen projiziert, welche mit Hilfe einer Shutter Brille, ähnlich wie im 3D Kino, einen räumlichen Effekt erzeugen. Sie bestehen aus Flüssigkristallflächen, die elektronisch zwischen durchlässig und undurchlässig umgeschaltet werden können. Mit dem CAVE System können mehrere User gleichzeitig im selben virtuellen Raum aktiv sein. Diese sehr aufwändige Konstruktion, wird vor allem im Wissenschaftsbereich verwendet. Die RWTH Aachen besitzt seit 2012 ein solches System, welches audiovisuell stetig verbessert wird, um sowohl die Immersion, als auch die Anwendungsbreite zu erhöhen.
Für die Nutzung zu Hause für den Endanwender aber auch für Unternehmen, sind Head-Mounted-Displays deutlich praktischer als das CAVE System und mittlerweile verhältnismäßig weit verbreitet. Dabei sind Gruppenanwendungen im selben virtuellen Raum mittlerweile auch möglich. In ihrer Benutzung unterscheiden sich zwei Optionen, entweder bleibt der User an seinem Platz stehen oder sitzen, oder kann sich in der realen Welt bewegen, wobei diese Bewegung vom VR System erfasst und in der künstlichen Umgebung umgesetzt wird.
Diese als Roomscale VR titulierte Anwendungsmöglichkeit erhöht die Immersion, erfordert allerdings auch eine passende Fläche, damit das VR Erlebnis nicht im Mobiliar oder der Topfpflanze endet. Dafür sind “Positional Tracking“ Geräte oder Sensoren im Headset notwendig, die das “Erlebnisfeld“ begrenzen. Natürlich warnt das System vor der Überschreitung der Raumgrenze mit einer virtuellen Absperrung. Das Gitter nennt Vive Chaperone und Oculus Guardian.
Aktuelle technische Systeme
Zurzeit sind zwei verschiedene technische Lösungen auf dem Markt, sowohl frei bewegliche, mobile Varianten, als auch rechnergestützte Geräte.
Rechnergestützte Systeme
Rift
Das System Rift, von der, mittlerweile zu Facebook gehörenden, Firma Oculus war ein Vorreiter im Gebiet der benutzerfreundlichen Virtual Reality Headsets. Die vorherigen, klobigen und schweren Helme, wurden durch dieses leichtere, anwenderfreundliche System abgelöst.
Das Rift Headset ist technisch anspruchsvoll und benötigt einen leistungsstarken Computer für komplexe VR Darstellungen.
Es bietet ein sehr weites Sichtfeld von 110° diagonal, 90° horizontal, dargestellt durch zwei OLED Bildschirme hinter einem optischen Linsensystem. Für die Eigenbestimmung im Raum sind Gyroskope, Beschleunigungssensoren und Magnetometer in der Rift-Brille verbaut. Damit sind nicht nur Bewegungen des Kopfes übertragbar, sondern auch der Brille bzw. der Person, im Raum, selbst. Somit kann sich der Benutzer nicht nur im virtuellen Gelände bewegen, sondern physisch auch im realen Raum.
Dazu benötigt man zwei externe Infrarot Sensoren, um die Brille bzw. den User erfassen zu können und die räumlichen Abmessungen für das „Roomscaling“ festzulegen, in dem sich der Anwender bewegen kann. Zum System gehören zwei Hand-Controller. Das Gewicht liegt bei komfortablen 470 Gramm. Das Gerät ist seit 2016 auf dem Markt.
Rift | |
Auflösung | 2x 1080×1200 |
Sichtfeld | 90° (horizontal) |
Bildwiederholfrequenz | 90Hz |
Pixeldichte | 456ppi |
Panel | OLED |
Tracking (intern) | Gyroskop, Beschleunigungssensor, Magnetometer |
Tracking (extern) | Infrarot |
Schnittstellen | 1x HDMI 1.3, 2x USB 3.0, 1x USB 2.0 |
Gewicht | 470g |
Besonderheiten | 3D-fähig, IPD-Anpassung (58-72mm), integrierte Kopfhörer (abnehmbar), inkl. Oculus Touch Controller |
HTC Vive
Dieses Jahr gilt auch als Start für das Head-Mounted Display namens HTC Vive, das in Verbindung mit Google steht. Das interne Tracking wird durch Gyroskope und Beschleunigungssensoren übernommen. Die Position und Größe der Anwendungsebene im Raum wird von zwei externen Sensoren Systemen, Lighthouse genannt, via Laser erfasst. Auch hier sind OLED Displays verbaut, das Gewicht beträgt 560 Gramm. Zwei Controller gehören zur Brille.
Auflösung | 2x 1080×1200 |
Sichtfeld | 100° (horizontal) |
Bildwiederholfrequenz | 90Hz |
Panel | OLED |
Tracking (intern) | Gyroskop, Beschleunigungssensor |
Tracking (extern) | Infrarot Laser |
Schnittstellen | HDMI 1.4, 1x USB 2.0, 3.5mm-Klinke |
Gewicht | 561g (ohne Kabel), 468g (ohne Kabel, neue Revision), 883g (mit Kabel) |
Besonderheiten | 3D-fähig, IPD-Anpassung, integrierte Digitalkamera |
HTC Vive Pro
Die HTC Vive Pro ist eine Weiterentwicklung mit höherer Auflösung der OLED Displays. Das Gewicht beträgt rund 1 Kilogramm. Wie das Vorgängermodel hat es eine integrierte Kamera nach vorn für AR Anwendungen.
Auflösung | 2x 1440×1600 (1440×1600 pro Auge) |
Sichtfeld | 110° (horizontal) |
Bildwiederholfrequenz | 90Hz |
Pixeldichte | 615ppi |
Diagonale | 2x 3.5″ |
Panel | OLED |
Tracking (intern) | Gyroskop, Beschleunigungssensor |
Tracking (extern) | Laser |
Schnittstellen | DisplayPort 1.2, 1x USB-C 3.0, Bluetooth |
Gewicht | 1.02kg |
Besonderheiten | 3D-fähig, IPD-Anpassung, integrierte Digitalkamera, integrierte Kopfhörer (abnehmbar), integriertes Mikrofon |
Windows Mixed Reality Headset
Dieses Konzept wird mittlerweile auch von anderen Firmen verfolgt, zum Beispiel mit dem Windows Mixed Reality Headset, welches unter anderem von Lenovo und Acer, nach genauen technischen Vorgaben, produziert wird.
Dieses ist auch Rechnergestützt, hat aber die Erfassungssensoren in der Brille verarbeitet, benötigt also keine externen Systeme im Raum. Die Displays sind LCDs, die Brille wiegt rund 400 Gramm.
Windows Mixed Reality Brillen in der Übersicht | ||||||
Lenovo Explorer | Dell Visor VR118 inkl. Controller | Medion Erazer X1000 MR (130023616) | Acer Windows Mixed Reality Headset AH101 (VD.R05EE.003) | HP VR1000-100nn Windows Mixed Reality Headset (2MJ36EA) | ASUS Windows Mixed Reality Headset HC102 | |
Auflösung | 2x 1440×1440 (1440×1440 pro Auge) | 2x 1440×1440 (1440×1440 pro Auge) | 2x 1440×1440 (1440×1440 pro Auge) | 2x 1440×1440 (1440×1440 pro Auge) | 2x 1440×1440 (1440×1440 pro Auge) | 2x 1440×1440 (1440×1440 pro Auge) |
Bildwiederholfrequenz | 90Hz | 90Hz | 90Hz | 90Hz | 90Hz | 90Hz |
Pixeldichte | 704ppi | 704ppi | 704ppi | 704ppi | 704ppi | 704ppi |
Diagonale | 2x 2.89″ | 2x 2.89″ | 2x 2.89″ | 2x 2.89″ | 2x 2.89″ | 2x 2.89″ |
Panel | LCD | LCD | LCD | – | – | LCD |
Tracking (intern) | Gyroskop, Beschleunigungssensor, Magnetometer, optisch | Gyroskop, Beschleunigungssensor, Magnetometer, optisch | Gyroskop, Beschleunigungssensor, Magnetometer, optisch | Gyroskop, Beschleunigungssensor, Magnetometer, optisch | Gyroskop, Beschleunigungssensor, Magnetometer, optisch | Gyroskop, Beschleunigungssensor, Magnetometer, optisch |
Tracking (extern) | nein | nein | nein | nein | nein | nein |
Schnittstellen | 1x HDMI 2.0, 1x USB 3.0 | 1x HDMI 2.0, 1x USB 3.0 | 1x HDMI 2.0, 1x USB 3.0, 1x 3.5mm-Klinke | 1x HDMI 2.0, 1x USB 3.0, 1x 3.5mm-Klinke | 1x HDMI 2.0, 1x USB 3.0 | 1x HDMI 2.0, 1x USB 3.0, 1x 3.5mm-Klinke |
Abmessungen | 185.1×102.1×94.8mm | 270x210x170.5mm | 185.1×102.1×94.8mm | 384.2×195.8×143.4 mm | – | – |
Gewicht | 380g | – | 420g | 360g | – | 400g |
Besonderheiten | 3D-fähig, Digitalkamera, inkl. Controller | 3D-fähig, Digitalkamera, inkl. Controller | 3D-fähig, Digitalkamera, inkl. Controller | 3D-fähig, Digitalkamera, inkl. Controller | 3D-fähig, Digitalkamera, inkl. Controller | 3D-fähig, Digitalkamera, inkl. Controller |
Sichtfeld | – | 110° | – | 95° (horizontal) | 95° (horizontal) | 95° (horizontal) |
Oculus Go Brille
Ein sehr beliebtes VR System ist die Oculus Go Brille, die noch kompakter und günstiger ist und keinen angeschlossenen Rechner benötigt. Die Sensorik beschränkt sich auf die Position des Kopfes bzw. der Brille und des Motion Controllers. Im Prinzip ist es ein hochwertiges Smartphone in einem bequemen Headset mit guter Kopfhörertechnik.
Auflösung | 1x 2560×1440 (1280×1440 pro Auge) |
Bildwiederholfrequenz | 72Hz |
Pixeldichte | 534ppi |
Diagonale | 5.5″ |
Panel | LCD |
Tracking (intern) | Gyroskop, Beschleunigungssensor, Magnetometer |
Tracking (extern) | nein |
Schnittstellen | 1x Micro-USB-B, 1x 3.5mm-Klinke |
Gewicht | 471g |
Besonderheiten | 3D-fähig, integrierte Kopfhörer (abnehmbar), Stand-Alone-Gerät, inkl. Controller |
Oculus Quest Brille
Die Oculus Quest Brille möchte die guten Eigenschaften aus Rift und GO System verknüpfen. Es sind zwei OLED-Displays mit Pentile-Matrix verbaut. Die Displays haben eine Auflösung von 1.600 mal 1.440 Pixel pro Auge, bei einer Bildwiederholungsrate von72 Hz. Dazu kommt aber ein geringes Gewicht und die drahtlose Handhabung für eine freie Bewegung im Raum. Dabei ist Raum eine sehr weitläufige Bezeichnung, im wörtlichen Sinne. Reichweiten über mehrere Kilometer sollen möglich sein. Die Oculus Quest hat vier Trackingkameras in der Vorderseite des Gehäuses verbaut, eine in jeder Ecke. Damit wird auch die Position der Handcontroller erfasst.
PlayStation VR von Sony
Die PlayStation VR von Sony, ist die Weiterentwicklung des Glasstron Projektes aus den späten 1990er Jahren. 2016 kam das neue Produkt auf den Markt, welches via Kabel über eine separate Hardware-Box (die Processing Unit) mit der Playstation verbunden wird. Am Headset befinden sich neun LEDs, über welche die an der Konsole angeschlossene PlayStation-Kamera die Kopfbewegungen des Spielers aufnimmt. Sie besitzt eine leicht geringere Auflösung als die PC Systeme. Sie bietet 960 × 1080 Bildpunkte pro Auge via OLED Displays. Zusätzlich zur reinen Spielenutzung werden von Sony Music und der Entertainment (Film) Abteilung Nutzungsmöglichkeiten angeboten und entwickelt.
Sony PlayStation VR Headset Rev. 2 (verschiedene Bundles) | Sony PlayStation VR Headset (verschiedene Bundles) |
Auflösung | 1x 1920×1080 (960×1080 pro Auge) |
Sichtfeld | 100° |
Bildwiederholfrequenz | 120Hz |
Pixeldichte | 386ppi |
Diagonale | 1x 5.7″ |
Panel | OLED |
Tracking (intern) | Gyroskop, Beschleunigungssensor |
Tracking (extern) | optisch |
Schnittstellen | 1x HDMI, 1x USB |
Abmessungen | 277x187x185mm |
Gewicht | 610g (ohne Kabel) |
Besonderheiten | 3D-fähig, integriertes Mikrofon |
Allgemein geht die Entwicklung der VR Systeme, wie oft im Bereich der Anwenderelektronik, zu höherer Leistung, bei kompakteren Maßen und einfacherer Bedienbarkeit.
Systeme für Smartphones
Diese einfachen VR Angebote bestehen aus einem handelsüblichen, leistungsstarken Smartphone und einer Halterung. Soundsysteme, Motion Controller etc. müssen extra erworben bzw. angepasst werden. Es ist nur eine stationäre Benutzung, also kein Roomscaling, möglich, da die Handysensorik nur auf die Bewegung des Kopfes reagieren kann.
Gear VR System
Das Gear VR System von Samsung und Oculus, ist eine mobile Brillenvariante, die eine Halterung mit eingebauten Linsen für ein leistungsstarkes (Galaxy) Smartphon darstellt, bei dem das Telefon als Bildschirm der VR dient.
Cardboard
Google hat ebenso auf die Entwicklung reagiert und eine einfache Headsetlösung namens Cardboard, für Smartphones entwickelt, die aus festem Karton besteht – eine eher simple, aber kostengünstige Variante. Allerdings ist dafür kein Controller nutzbar.
Diese Cardboard Systeme werden von vielen verschiedenen Herstellern oder sogar als Bastelanleitung angeboten.
Geschichte der Virtual Reality
Das Schwert des Damokles
Für eine realistisch anmutende VR Darstellung sind leistungsstarke Computersysteme notwendig. 1968 war das noch nicht gegeben, trotzdem konnte man Menschen zum Mond schicken, auch wenn die Rechner damals ganze Räume ausfüllten. Im gleichen Jahr wurde eine Art VR System entwickelt, das ein computererzeugtes Drahtgittermodel in das Blickfeld des Betrachters setzte, welches sich seinen Kopfbewegungen anpasste. Der Erfinder, Ivan Sutherland, hatte seine Idee des “Ultimate Display“ wenige Jahre vorher formuliert und nun mit seinem ersten Head-Mounted-Display praktisch umgesetzt. Allerdings erzeugte dieses System keine echte VR, sondern kann als Mixed-Reality oder besser Augmented-Reality (AR) bezeichnet werden. Das Headset war dabei so schwer, dass es an der Zimmerdecke befestigt werden musste, weshalb es den Namen “Sword of Damocles“ trug.
Erst 2014 kam mit der Google Glass eine entsprechende Lösung für den normalen Verbraucher heraus, die allerdings ihre größten Probleme mit dem Datenschutz hatte und sich deshalb bislang nicht durchsetzen konnte.
Datenhandschuh – Wegweiser im virtuellen Raum
Um in einer virtuellen Welt mit der animierten Umwelt interagieren zu können, also greifen, drücken oder sich selbst fortzubewegen (ohne in der echten Welt die gleiche Bewegung machen zu müssen), ist es notwendig, ein Eingabegerät zu benutzen. Bei den aktuellen VR Headsets nutzt man dafür Controller, die in der Hand gehalten werden.
Bereits Anfang der 1980er Jahre entwickelte Dr. G. Grimes, von AT&T Bells Labs, einen Datenhandschuh, den Digital Data Entry Glove. Er bestand aus einem Handschuh mit Biegesensoren an den Fingern, Tastsensoren auf den Fingerspitzen und Sensoren für die Erfassung im Raum. Darauf bauten die Gründer der Firma VPL Research (Thomas Zimmermann und Jaron Lanier) auf und konstruierten einen Handschuh mit Lichtwellenleitern auf dem Handrücken, um die Fingerbewegung zu messen.
Seiner Zeit voraus
Der “wissenschaftliche“ Sinn dabei war es, virtuell Gitarre spielen zu können, aber auch andere Anwendungen (vorerst im Bereich der Computerspiele von Atari) nutzbar zu machen. Lanier wird die erstmalige Verwendung des Begriffs “Virtuelle Realität“ zugeschrieben, auch wenn er in der Literatur bereits vorher erwähnt wurde. Lanier sah aber, gerade in der Verbindung aus Datenhandschuh und Headset (VPL entwickelte 1987 auch davon eine eigene Variante namens “Eyephone“), die Tragweite und Zukunftsfähigkeit dieser neuen Technologie.
Das System erweckte auch das Interesse der NASA, die eine verbesserte Version des Controllers in Auftrag gab. 1986 konnte dann der erste einsetzbare Datenhandschuh für virtuelle Anwendungen ausgeliefert werden. Damals zum Preis von rund 9000,00 Dollar.
Mattel kaufte später das Patent und brachte 1989 den Power Glove für die Nintendo Entertainment System (NES) – Spielekonsole heraus. Dabei kostete der Handschuh nur noch rund 100 Dollar. Heutige Modelle sind rar, es gibt den Forte Data Gloves der Firma BeBop für einfache, spielerische Anwendungen, der sich aber noch in der Entwicklung bzw. Testphase befindet und den CyberGlove II von Immersion, der im technischen Bereich angewandt wird.
1989 erschien von Polhemus 3Space ein System auf Grundlage zweier elektromagnetischer Tracker, die es, in Verbindung z.B. mit einem Datenhandschuh oder anderen Eingabegerät, ermöglichten, vom Computer aus Objekte in einer virtuellen oder entfernten, realen Umgebung zu bewegen oder zu erfassen.
Ebenfalls 1989 erscheint ein System aus Headset und Datenhandschuh namens BOOM (Binocular Omni-Orientation Monitor). Es ist stationär, der Benutzer steht oder sitzt an einem Gestell, das die (schwere) Brille hält. Es wurde für technische Nutzung im 3-D Bereich verwendet, wie zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt im “Virtuellen Windtunnel“ von Steve Bryson (1991).
Der lange Weg zum Konsumenten
Die Möglichkeiten der technischen Nutzung waren lange Zeit begrenzt, zum einen durch die schwere, unhandliche Technik, zum anderen durch die mangelnde Software und fehlende Rechenkapazität.
Nintendo brachte 1995 eine 3-D Brille namens „Virtual Boy“ für seine Videospielkonsole heraus, die allerdings nur stationär benutzbar war und somit keine echte VR erzeugen konnte.
Ein Jahr zuvor erschien der Forte VFX1 Headgear, der tatsächlich als VR System bezeichnet werden kann. Wegen der geringen Auflösung und des noch hohen Preises setzte er sich aber nicht durch.
2013 wird endlich das Oculus Rift Development Kit 1, als erstes marktfähiges HMD, verkauft. Parallel dazu entwickelte das Militär Systeme, die mit AR und VR arbeiten und auch bei der NASA wurden spezielle Komponenten eingesetzt. So gab es bereits 1990, eine “Virtual Interface Environment Workstation“ (VIEW), also ein Head-Mounted-Display mit Sensoren Handschuhen, womit man sich in einer künstlichen oder der Wirklichkeit nachempfundenen 3-D Welt bewegen und agieren konnte. So konnten, zum Beispiel, Arbeitsabläufe im Weltall simuliert werden.